Heute, am Donnerstag, den 3. Dezember 2020, wurde der Prozess gegen Joachim S. vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts fortgesetzt. Es war der vierte Verhandlungstag.
Geladen waren heute zehn Zeug*innen, die alle erschienen sind. Verhandelt wurden die Taten im Zeitraum vom 20. bis zum 27. Oktober 2019.
Die erste polizeiliche Aussage des Tages bezog sich auf den 20. Oktober. Hierbei kam es u.a. zu zwei Brandlegungen im Stadtteil Niederursel. Die erste davon ereignete sich an einem etwas abseits gelegenen Mehrfamilienhaus. Dort wurde Papier in einen Rollladenkasten der Erdgeschoss-Wohnung gesteckt und angezündet. Daraufhin kam es zu einer starken Rauchentwicklung. Aufgrund eines »glücklichen Zufalls« wurde die Bewohnerin in der Nacht zufällig wach und bemerkte den Rauch in ihrer Wohnung. Sie und ihr Lebensgefährte konnten allerdings keine Quelle ausfindig machen. Die daraufhin anrückende Feuerwehr entdeckte erst nach aufwendiger Suche mit Wärmebildkamera den Brandherd im Rollladenkasten.
Auch die Geschädigte selbst kam als Zeugin zu Wort. Es fiel ihr sichtlich schwer über die Ereignisse zu sprechen. Immer wieder musste sie unter Tränen ihre Aussage unterbrechen. Auch die Wohnung habe sie seit dem Vorfall nie wieder betreten und anfangs Probleme beim Ein- und Durchschlafen gehabt. Joachim S. zeigte bei der eindringlichen Aussage keine Regung – ganz offensichtlich ließ ihn die Beschreibung der Zeugin vollkommen kalt.
Bei der zweiten Tat in Niederursel kam es laut Aussage des Zeugen zu einem »starken Balkonbrand«. Auch hier wurde wieder ein Rollladen in Brand gesetzt, der in der Folge wegschmolz. Durch den Brand platzte außerdem eine angrenzende Scheibe. Der Zeuge bezeichnet es als »großen glücklichen Umstand«, dass im Innenraum nicht mehr passiert sei und das Feuer nicht auf diesen übergriff, was bei Rollladenbränden leicht geschehen könne. Bemerkt hatte den Brand zuvor ein*e Nachbar*in, die gleich darauf bei der betroffenen Wohnung klingelte. Eine*r der Bewohner*innen versuchte den Brand noch selbst zu löschen, ehe die Feuerwehr eintraf. Die Wohnung konnte aufgrund des Brandes und der anschließenden Maßnahmen 24 Stunden nicht betreten werden. Den Schaden schätzten die Zeug*innen auf ungefähr 20.000 €.
Einer der Geschädigten machte in seiner Aussage deutlich, was der Brandanschlag mit ihm und seiner Frau gemacht hat. Insbesondere seine Frau sei nach dem Brand »nicht mehr stabil im Kopf«, sehe alles negativ und glaube, dass das Leben keinen Sinn mehr habe. Auf Nachfrage gab der Zeuge an, dass seine Frau mittlerweile in einem Traumazentrum behandelt werde. S. ließ auch hier jegliche Emotionen vermissen.
Gerade bei diesen beiden Taten tritt S.‘ berechnende Art besonders zu Tage: Im Gegensatz zu seinen Brandstiftungen am 8. Dezember 2019, die am 2. Prozesstag verhandelt worden sind und die ihm aufgrund der polizeilichen Observierung zweifelsfrei nachgewiesen werden können, zeigte er heute keinerlei Gefühlsregung.
Die letzte Tat des 20. Oktober 2019 ereignete sich in Seckbach oberhalb des Huthparks an einem Bistro. Hierbei kam es zur versuchten Brandstiftung an einem Pavillon. Bereits am Tag zuvor sollen hier Mülltonnen gebrannt haben. Nach dieser Tat wurde S. auf dem Heimweg nach einem Fluchtversuch in den frühen Morgenstunden des 20. Oktober festgenommen.
Ein Ermittler des Landeskriminalamts bezeichnete im Kontext seiner Aussage einige Brände als »subtil«. Auf die Frage der Staatsanwältin hin, was denn subtile Brände seien, erwähnte er beispielhaft, dass es beim Lila Luftschloss bereits 2018 schon mal gebrannt hatte. Hierbei brannte der Haussockel der Außenfassade. (Anmerkung: Bei dem von dem Ermittler erwähnten Brand, muss es sich um den Brandanschlag am 12. Dezember 2018 auf das Wohnprojekt des Lila Luftschloss im Frankfurter Nordend handeln, auch wenn dieser das genaue Datum nicht nannte.) Er ermittelte in dem Fall für den Staatsschutz. Dieser Fall wurde aber vom Gericht schnell beiseite geschoben, weil er nicht Gegenstand des Verfahrens sei.
Am 25. Oktober wurde laut zweier Polizist*innen, die an diesem Tage vor Ort waren und heute im Prozess als Zeugen aussagten, ein Café im Günthersburgpark in Brand gesetzt, das die Feuerwehr noch löschen konnte. An diesem Abend hatte es bereits an zwei anderen Orten in der Nähe gebrannt. Die Polizei suchte nach möglichen Täter*innen. Während Beweise am Café gesichert wurden, spazierte Joachim S. etwa eine halbe Stunde nach Mitternacht seelenruhig im Park umher. Eine*r der Polizeibeamt*innen erkannte ihn, da diese*r schon mehrfach im Zuge der Ermittlungen Kontakt mit ihm hatte und nahm ihn daraufhin vorübergehend fest. Bei S. wurde ein einige Tage alter Kassenzettel sichergestellt, der den Kauf von Grillanzündern sowie Papiertüchern belegte. Laut den festnehmenden Polizist*innen wirkte S. routiniert und bedacht.
Zum Ende des Verhandlungstags kam es unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Initiative der Verteidigung zu einem Rechtsgespräch (umgangssprachlich »Deal«) zwischen Staatsanwaltschaft, dem Gericht und der Verteidigung. Gegenstand dieses Rechtsgesprächs war die Einräumung einiger Taten sowie das Stellen von Einstellungsanträgen bzgl. anderer Taten im Gegenzug. Im Ergebnis wurde sich darauf geeinigt, dass Joachim S. mehrere Delikte, darunter auch der Brandanschlag auf das Lila Luftschloss, eingesteht, dafür allerdings auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Beschluss des Gerichts kleinere im aktuellen Verfahren vorgeworfene Straftaten eingestellt werden. Eingestellt wurden damit die Vorwürfe, ein Auto sowie mehrere Mülltonnen niedergebrannt zu haben. Das Verfahren bzgl. des Vorwurfs, das Café im Günthersburgpark in Brand gesteckt zu haben, wurde ebenfalls eingestellt, obwohl S. am Tatort festgenommen wurde!
Zum Brandanschlag auf die Metzgerstraße am 21. Dezember 2018 ließ sich Joachim S. nicht ein und die Staatsanwaltschaft stellte keinen Antrag, das Verfahren dazu einzustellen. Dieser Anschlga ist also weiterhin Gegenstand des Verfahrens.
Im Gegensatz zu anderen Straftaten, die Joachim S. zuvor eingestanden hatte, gab es bei den heutigen Eingeständnissen keinerlei Entschuldigung. Auch sonst zeigte sich S. den gesamten Prozesstag völlig regungslos und desinteressiert bei den Berichten der Opfer über ihre Traumatisierungen oder wie sich ihre Lebensqualität nach den Anschlägen nachhaltig verschlechtert habe.
Obwohl stets die Rede davon war, dass die ermittelnden Polizist*innen S. immer wieder auf dem Schirm hatten und die Informationen für ihre Ermittlungen vom Staatsschutz bekamen, wurde erneut weder nach seinen Motiven gefragt noch die politische Dimension der Taten thematisiert. Welche Rolle der Staatsschutz bei den Ermittlungen hatte, bleibt im Prozess bisher unerklärt und vollkommen schleierhaft.
Zum Ende des Prozesstages, stellte das Gericht fest, dass es wohl weiterer Verhandlungstage bedarf. Morgen, am 4. Dezember, sollen weitere Gutachten, u.a. ein psychologisches Gutachten, verlesen werden. Am 11. Dezember werden voraussichtlich die Plädoyers gehalten Die Urteilsverkündung ist aktuell für den 14. Dezember angesetzt.