Heute, am Donnerstag, den 26. November 2020, wurde der Prozess gegen Joachim S. fortgesetzt. Es war der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen den Brandstifter vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts.
Zunächst wurde ein Brandanschlag in Oberursel verhandelt, den S. am 4. Dezember 2019 begangen hatte. Dabei war er in den Keller eines Wohnhauses eingedrungen und hatte dort ein Feuer gelegt. Eine Hausbewohnerin war durch Zufall draußen unterwegs und hatte den Brand gerochen. Mit Hilfe eines Bekannten löschte sie das Feuer, bevor es sich ausbreiten konnte. Es entstand geringer Sachschaden. Auch diese Brandstiftung geschah, während S. von der Polizei observiert wurde. Die Beamt*innen konnten den Tatort jedoch nicht einsehen, bemerkten das Feuer nicht und schlugen keinen Alarm.
Was sich in den ersten beiden Prozesstagen schon abzeichnete, erfährt immer mehr Brisanz: S. beging Taten, während er von einem ganzen Observationsteam begleitet wurde. In diesem Fall trug die Polizei nicht einmal dazu bei, dass das Feuer entdeckt und gelöscht wurde.
Anschließend kam der Brandanschlag auf das feministische Wohnprojekt Lila Luftschluss im Nordend am 26. Juli 2019 zur Sprache. Zwei Zeug*innen, sagten aus, dass sie S. vom Tatort flüchten sahen. Einer der Zeug*innen erzählte, dass S. schnellen Schrittes aus dem Gelände kam. Kurz darauf entdeckte seine Begleiterin das Feuer, der Zeuge verfolgte S. und stellte ihn. S. hat nahe des Wohnhauses Gegenstände angezündet. Das Feuer war auf einen Busch übergesprungen, der nach Aussage des Zeugen »lichterloh« brannte. Ein Polizist, der S. in der Nacht festgenommen hatte, verwies darauf, dass es sehr trocken gewesen sei und dass das Feuer seiner Einschätzung nach schnell hätte auf das Wohnhaus übergreifen können. Bei S. wurde noch am Tatort 1,7 Promille Atemalkohol gemessen. Eine Polizistin beschireb sein Auftreten als ruhig, sachlich und überheblich. Auch sein planvolles Handeln machte sie deutlich: Als S. aufgefordert wurde, sein Mobiltelefon zu entsperren, nutze er diese Gelegenheit, in Windeseile Daten zu löschen.
Danach sagte der Polizist aus, der den Fall drei Tage später bearbeitete. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Täter den optimalen Zugang zum Gelände des Lila Luftschlosses gekannt und genutzt habe. Der Anschlag habe eindeutig und ausschließlich dem Lila Luftschloss gegolten. Der Polizist beschrieb das Projekt als »links oder alternativ« und sprach explizit davon, dass der Täter das Lila Luftschloss habe angreifen wollen (sic!).
Dennoch blieb auch an dieser Stelle jede Nachfrage nach einem politischen Motiv aus. Zudem war keine einzige Person aus dem Lila Luftschloss geladen, die hätte erzählen können, was die Brandanschläge bei ihnen ausgelöst hatten und ob sie eine Idee davon hätten, warum jemand das Lila Luftschloss mehrfach als Ziel von Anschlägen gewählt hatte. Das Motiv und die Frage, welche Folgen eine Tat für die Betroffenen hat, ist für die Bemessung des Urteils durchaus relevant. Insofern ist die fortgesetzte Ignoranz des Gerichts nur schwer zu ertragen.
Danach wurde eine Brandserie am 21. Oktober 2019 verhandelt. Dabei hatte S. eine Gartenhütte, eine Mülltonne und ein Fahrzeug angezündet. Die Polizei erwartete ihn später vor seiner Haustür, wo er mit Brandgeruch an der Kleidung aufgegriffen wurde. Die Polizistin, die ihn festnahm, beschrieb sein Verhalten als provokativ und belehrend.
Als letzter Zeuge kam einer der führenden Brandermittler des K15 Frankfurt zu Wort. Er berichtete über den Abend und die Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 2019. Zunächst war an einem Wohnhaus in Niederursel ein Rolladenkasten auf einem Balkon angezündet worden. Es sei ein »großes Brandgeschehen« entstanden, die Scheiben platzten und der Rauch drang in die Wohnung ein, in der zwei Menschen schliefen. Erdrückende Indizien verweisen auf S. als Täter. Danach soll er an der Friedberger Warte versucht haben, einen Kiosk in Brand zu setzen, indem er eine Mülltonne in den Eingang schob und anzündete. An diesem Abend sei ein Schaden von 12.000 Euro entstanden.
Dann ließ der Brandermittler die Katze aus dem Sack: Er berichtete, dass der Hinweis auf S. als Täter der Brandserie im Herbst 2019 vom Staatsschutz gekommen sei, der bereits gegen ihn ermittelte. Die Polizei würde S. alleine im Zeitraum vom 5. September bis zum 9. Dezember 2019 mindestens 26 Brandstiftungen zurechnen. Zwischen dem 20. und 27. Oktober wurde er binnen einer Woche viermal festgenommen. Und immer wieder laufen gelassen. Der Polizist berichtete von einer Vernehmung mit S. nach dessen Festnahme. Er habe S. gefragt, wie es nun weitergehe und S. habe geantwortet: »So wie immer. Ich werde entlassen.«
So sind mittlerweile acht Fälle dokumentiert, in denen S. festgenommen wurde. Siebenmal wurde er auf freien Fuß gesetzt und machte ungeniert weiter. Dabei gerieten mehrfach Menschen in erhebliche Gefahr. Wer für die Freilassungen verantwortlich ist, interessiert das Gericht bisher nicht. Offen bleibt auch die Frage, warum S. eine Vielzahl von Brandstiftungen und Brandanschlägen begehen konnte, während die Polizei ihn observierte. Und auch die Fragen nach der politischen Motivation sind nach wie vor offen.