In mehreren Veröffentlichungen haben wir bereits darauf hingewiesen, dass in den Ermittlungen zu den Brandanschlägen auf die linken Projekte 2018 und 2019 Fehler und Versäumnisse passierten.
Nachfolgend konkretisieren wir diese Kritik anhand ausgewählter Beispiele. Diese erste Betrachtung beschäftigt sich mit den Ermittlungen, die die Polizei zu den Brandstiftungen in der Schwarzen Sieben und in der Metzgerstraße in Hanau führte. Wir werden diesen Artikel – je mehr sich unsere Kenntnisse erweitern – fortschreiben und durch weitere Beispiele ergänzen, die sicherlich auch die Ermittlungsbehörden in anderen (Tat-)Orten betreffen werden.
Beispiel: Die politische Motivation des Täters
Die Ermittlungen zu den Hanauer Fällen wurden vom Staatsschutz-Kommissariat in Offenbach geführt. Sie ergaben unter anderem, dass Joachim S., der mutmaßliche Täter der Serie, mindestens zweimal an die Alternative für Deutschland (AfD) gespendet hatte. In seiner Wohnung fand sich eine Spendenquittung an die AfD vom 9. April 2017 über 65 Euro. Und am 23. August 2018 hatte er dem hessischen AfD-Landesverband für den Landtags-Wahlkampf eine „Plakatspende“ von 1691,70 Euro überwiesen. Anfang Januar 2019 wurde bekannt, dass S. seit Jahren dutzende linker Projekte und Initiativen (nicht nur Wohnprojekte) bei den Behörden denunziert und anzeigt hatte. Auch fand die Polizei bei ihm rassistische und sexistische digitale Bilder.
Die Ermittlungsführerin der Polizei schloss aus den Spenden, dass Joachim S. wohl ein Anhänger der AfD sei. Doch sie brachte dies und all die anderen Fakten nicht mit seinen Taten in Verbindung. Sie schreibt in ihrem Bericht: „Im hiesigen Tatkomplex konnte das Tatmotiv der politischen Motivation nicht verifiziert werden“ – um anschließend darauf hinzuweisen, dass sich kein anderes Tatmotiv finden lasse.
Die Frage politischer Einbindung von S. war dem Staatsschutz keinen Ermittlungsansatz wert. Die Polizei befragte Bekannte von S. nach dessen politischer Einstellung. Dabei beließ sie es offensichtlich. Nichts in den Berichten zu den Hanauer Fällen lässt darauf schließen, dass sich die Polizei darum bemühte in Erfahrung zu bringen, ob S. der AfD enger verbunden war, ob er beispielsweise an Versammlungen der Partei teilgenommen hatte oder anderweitige Kontakte zu ihr pflegte. Auch findet sich kein Hinweis darauf, dass die Polizei eine Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz durchführte. Um Missverständnisse zu vermeiden: Vom hessischen Verfassungsschutz ist sicher keine qualifizierte und ehrliche Antwort zu erwarten, doch gehört eine derartige Regelanfrage zum Einmaleins polizeilicher Ermittlungsarbeit beim Verdacht auf eine politisch motivierte Straftat.
Eine Serie von Brandanschlägen, die sich ausschließlich gegen linksalternative Projekte richtet, ist per se als eine politische Handlung zu werten. Der mutmaßliche und in zwei Fällen unzweifelhafte Täter gibt sich zudem als Anhänger einer Rechtsaußenpartei und als Rassist und Sexist zu erkennen. In seinen Taten keine politische Motivation zu erkennen, zeigt die Unfähigkeit des ermittelnden Staatsschutzes, rechte Taten begreifen und bewerten zu können.
Beispiel: Die Spurensicherung im Fall Metzgerstraße.
Unmittelbar nach dem Brand im autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau am 21. Dezember 2018 verständigten Besucher*innen die Polizei. Die eintreffenden Beamten besahen die Brandstelle, stellten Rauchgeruch fest, machten Fotos und kündigten an, dass sich in Kürze Spezialist*innen melden und die Spuren sichern würden. Doch niemand meldete sich. In den folgenden Tagen riefen die Betroffenen mehrmals bei der Polizei an, um den Stand der Dinge zu erkunden. Sie fühlten sich zunehmend abgewimmelt und erhielten schließlich die Antwort, dass niemand mehr zur Spurensicherung kommen würde. Trotz dieser Aussage wurde der Raum in der Metzgerstraße intern versiegelt und abgewartet, ob es doch noch zu einer Begehung des Brandortes komme.
In der zweiten Januarwoche forderte die Staatsanwältin Türmer die ermittlungsleitenden Beamt*innen auf, eine „gründliche Besichtigung“ des Tatorts Metzgerstraße und eine „ausführliche Tatortbegehung“ auf dem Gelände der Schwarzen Sieben durchzuführen. Zudem monierte sie, dass bislang nicht einmal Tatortskizzen angefertigt worden seien, Daraufhin erschienen drei Beamte in der Metzgerstraße, darunter ein Brandermittler. Sie machten Fotos und nahmen Proben des Löschpulvers vom Brandherd. Doch ließ sich anhand der Spuren nicht (mehr) nachweisen, dass es überhaupt gebrannt hatte. Tatsächlich war der von S. gelegte Brand schnell entdeckt und gelöscht worden und hatte nur wenig Schaden angerichtet.
Eine Brandlegung in einem Gebäude, in dem sich mit Wissen des Täters / der Täterin Menschen aufhalten, wird juristisch in der Regel als versuchter Mord gewertet. Vor allem, wenn der Täter – wie S. – nach der Brandstiftung flüchtet und keinen Einfluss mehr auf das weitere Geschehen nimmt. Dabei ist es unerheblich, wenn bei dem Brand durch einen Umstand, den der Täter nicht zu verantworten hat (wie die frühzeitige Entdeckung und schnelle Löschung), kein nennenswerter Schaden entsteht und niemand körperlichen Schaden erleidet.
Der Skandal besteht darin, dass trotz der Schwere des Delikts erst nach öffentlichem Druck und nachdrücklicher Aufforderung der Staatsanwältin überhaupt eine Brandbegutachtung vorgenommen wurde. So abgedroschen es nun klingen mag: Man mag sich vorstellen, welche Konsequenzen es hätte, wenn eine linke Person in einem Gebäude, in dem sich ein rechte Gruppe aufhält, vorsätzlich und heimlich einen Brand legt und flüchtet. Von peniblen Ermittlungen, Untersuchungshaft und einer Anklage wegen versuchten Mordes wäre dabei zwingend auszugehen.
Ein aktuelles Beispiel dafür, wie Polizei und Justiz gegen links agieren, sind „Die drei von der Parkbank“. Am 8. Juli 2019 wurden drei Linke kontrolliert, die in Hamburg auf einer Parkbank saßen. Bei ihnen fand man brennbare Flüssigkeiten, woraufhin ihnen die Polizei unterstellte, dass sie einen Anschlag geplant hätten. Zwei der Kontrollierten befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Derzeit findet im Hochsicherheitssaal des Hamburger Landgerichts der Prozess gegen die drei statt.
Beim rechten Brandanschlag in der (linken) Metzgerstraße musste die Polizei zur Spurensicherung regelrecht genötigt werden. Der Täter war am nächsten Tag wieder auf freiem Fuß. Ob er wegen der Brandlegung (die im Übrigen nicht einmal sein Anwalt abstreitet) angeklagt werden wird, steht in den Sternen.
In der Auflistung der Brandanschläge auf linke Projekte im Rhein-Main-Gebiet 2018 und 2019, die die Kriminalpolizei im Juni 2020 auf Anfrage der Fraktion Die Linke im Hessischen Landtag zusammenstellte, fehlt der Brandschlag in der Metzgerstraße. Die Polizei tut, als hätte es ihn nicht gegeben.
Beispiel: Eine Kette von Ermittlungsfehlern und -versäumnissen
Die unterlassene Spurensicherung in der Metzgerstraße ist nur der signifikanteste Punkt in einer Kette von Fehlern und Versäumnissen, die das Staatsschutz-Kommissariat in Offenbach zu verantworten hat. Am 8. Januar 2019 stellte Staatsanwältin Türmer fest, dass bis dato kein Abgleich der Erkenntnisse zu den Brandanschlägen in Hanau mit denen in Frankfurt und Schwalbach im Taunus stattgefunden hatte. Das bedeutet: Obgleich die Anschlagsserie seit Anfang Dezember 2018 durch die Presse ging, hatte die Hanauer Polizei noch fünf Wochen nach dem Anschlag auf die Schwarze Sieben und drei Wochen nach dem Anschlag in der Metzgerstraße keine Informationen zu den anderen Anschlägen eingeholt, um diese in ihre Ermittlungen einzubeziehen.
Anfang Februar 2019 bemängelte Türmer weitere Versäumnisse und im März platzte ihr schließlich der Kragen. Sie teilte den leitenden Beamt*innen mit, das deren Feststellungen bislang nicht ausreichend seien und forderte, dass nunmehr mit der „gebotenen Gründlichkeit“ ermittelt werde – eine Ohrfeige für die polizeilichen Ermittler*innen.
Beispiel: Modus Operandi und Brandbeschleuniger
Der Modus Operandi ist das Tatmuster, das darauf schließen lässt, ob verschiedene Taten von ein und derselben Person begangen wurden: Die Art des Handelns, typische Merkmale, Verhaltensweisen und Auffälligkeiten. So standen die Ermittler*innen vor den Fragen, ob die Brandanschläge bei der Schwarzen Sieben und in der Metzgerstraße ein ähnliches Muster hatten und ob der wegen Brandstiftung vorbestrafte Joachim S. dafür in Frage komme.
Ein Hanauer Brandermittler verglich die Taten von 2018 mit denen, die S. um das Jahr 2000 in Darmstadt begangen hatte. Er stellte fest, dass in den alten Fällen kein Spiritus als Brandbeschleuniger verwendet worden war – im Fall der Brandlegung in der Metzgerstraße vermutlich schon. Er maß diesem Umstand keine Bedeutung bei und wies darauf hin, dass es üblich sei, dass sich der/die Täter*in in der Vorgehensweise an das Zielobjekt anpasse. So lassen sich aus der Art des verwendeten Brandbeschleunigers keine Rückschlüsse pro oder contra Joachim S. ziehen. Zumal in den anderen Anschlägen der Serie 2018 und 2019 verschiedene Brandbeschleuniger (Spiritus, Brandpaste, evtl. auch Grillkohleanzünder) eingesetzt wurden.
Die Untersuchung der Brandreste im Fall Schwarze Sieben brachte keinen Nachweis von Spiritus als Brandbeschleuniger. Dies werteten die Ermittler*innen vom Staatsschutz dann als ein Indiz dafür, dass die Taten bei der Schwarzen Sieben und in der Metzgerstraße nicht von derselben Person begangen worden waren. Und die Staatsanwaltschaft Hanau schreibt in ihrer Einstellungsverfügung zum Fall Schwarze Sieben vom 26. März 2020: „Der brandsachverständige Beamte des Fachkommissariats stellte zur Art und Weise der Inbrandsetzung fest, dass diese angesichts des Tatobjekts sinnvoll aber in keiner Weise [für Joachim S., d.A.] typisch sei.“ Diese Bewertung trug dazu bei, das Verfahren gegen S. wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung im Fall Schwarze Sieben einzustellen.
Fortsetzung folgt ….